Wissenschaft und Verantwortung
Erkennen Sie denn nicht die Gefahr, die darin steckt?
Die Genetik stellt die gewaltigste Waffe dar, die der Planet je gesehen hat,
aber Sie spielen damit rum wie ein Kind,
das die Pistole seines Vaters gefunden hat.
[…] ihre Leute waren nur darauf konzentriert,
ob sie es schaffen konnten oder nicht.
Ob sie es tun SOLLTEN, diese Frage stellte sich keiner.
Dr. Ian Malcolm (Jurassic Park)
Diese Zeilen, die Dr. Ian Malcolm in Steven Spielbergs Kultfilm „Jurassic Park“ äußert, formulieren beeindruckend präzise das Dilemma des wissenschaftlichen Fortschritts: Sollte der Mensch wirklich alles tun, wozu er theoretisch in der Lage ist?
Der Gemeinsame Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) und Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) widmet sich seit 2013 genau solchen Fragestellungen. Kernaufgabe des Gremiums ist es, das Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und -risiken auszuloten, was durch die Veröffentlichung allgemeiner Leitlinien im Jahr 2014 realisiert wurde. Darin werden auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Pflicht genommen, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen. Den Grund hierfür wiederholt der Ausschuss in seinem Tätigkeitsbericht vom Oktober 2016: „Denn Forscher haben aufgrund ihrer grundgesetzlich garantierten Freiheit, ihres Wissens und ihrer Erfahrung eine besondere ethische Verantwortung, die über rechtliche Verpflichtungen hinausgeht. Dem einzelnen Wissenschaftler muss daher die Gefahr des Missbrauchs von Forschung bewusst sein.“ Die Diskussion über einen solchen Missbrauch von Forschung und der damit einhergehenden Verantwortung von Wissenschaft wurde ab den 1950er Jahren als Reaktion auf die Entwicklung sowie den Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen erstmals intensiv geführt und ist heute aktueller denn je – Stichwort „Künstliche Intelligenz“.
Wir als Kulturamt möchten in der Spielzeit 2024/2025 mit unserem Format „Theater setzt Themen“ auf diese an Relevanz nicht zu überbietende Diskussion hinweisen und uns natürlich auch daran beteiligen. Unter dem Motto „Wissenschaft und Verantwortung“ präsentieren wir Ihnen dramaturgische Umsetzungen, die den Themenkomplex aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchten. Begleitende Veranstaltungen, wie die Vorführung des mit 7 Oscars ausgezeichneten Films „Oppenheimer“ am Mittwoch, den 22.01.2025, um 19:30 Uhr im Casino-Kino, Vorträge und Gespräche runden die Reihe ab.
Der Protagonist ist in solchen Werken in der Regel, wie sollte es anders sein, der Wissenschaftler. In diesem Fall ist die ausschließlich männlich verwendete Form bewusst gewählt, forschende Frauen sind in der (Populär-)Kultur nämlich kaum sichtbar. Aber immerhin stammt der bekannteste Vertreter dieses Topos aus der Feder einer Frau: Mary Shelley lässt ihren Victor Frankenstein 1818 eines der berühmtesten Monster der Weltliteratur erschaffen. Das gleichnamige Stück sehen Sie am Dienstag, den 21.01.2025, um 19:30 Uhr in einer Produktion des Theaters Schloss Maßbach, ein beständiger Partner in unserem Gastspielbetrieb.
Doch zurück zu „Oppenheimer“: Der deutsche Schriftsteller Heinar Kipphardt stellt in seinem 1964 veröffentlichten Schauspiel „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ die 10 Jahre zuvor stattgefundenen Untersuchungen der US-Atomenergiekommission gegen den Leiter des Manhattan-Projekts in den Mittelpunkt. Die BüchnerBühne Riedstadt schreibt über ihre Umsetzung des Stoffes, die Sie am Samstag, den 25.01.2025, um 19:30 Uhr im Stadttheater erleben können: Die Inszenierung zeigt nicht nur das politische und moralische Dilemma in Zeiten des Kalten Krieges sowie die persönlichen und beruflichen Konflikte Oppenheimers: Die auch heute aktuellen Spannungen zwischen wissenschaftlicher Freiheit, politischem Druck und ethischer Verantwortung werfen Fragen zur Integrität und den Konsequenzen wissenschaftlicher Arbeit auf, die wir uns immer wieder neu beantworten müssen.
Ein Vertreter der Wissenschaft, der es vor allem mit seiner ethischen Verantwortung nicht sonderlich genau nimmt, ist die Figur des Doktors in „Woyzeck“, Georg Büchners Dramenfragment. Der Doktor ist Forscher durch und durch, mit seinen Studien, die sein Ein und Alles sind, verfolgt er ein eindeutiges Ziel: „Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft.“ Leider verleitet ihn dieser Ehrgeiz dazu, seinen Probanden jegliche Menschlichkeit abzusprechen und sie lediglich als Objekt zu betrachten. Welche Auswirkungen dies auf den ohnehin psychisch belasteten Studienteilnehmer Woyzeck hat, verdeutlicht das renommierte Schauspiel Leipzig in seinem Gastspiel am Mittwoch, den 12.02.2025, sowie Donnerstag, den 13.02.2025, jeweils um 19:30 Uhr.
Wie aber muss sich ein Wissenschaftler fühlen, dessen auf akkuratem Weg erbrachte Forschung bahnbrechende Erkenntnisse liefert, die er dann gezwungen ist zu verleugnen? Mit dieser Frage setzt sich Bertolt Brecht in „Leben des Galilei“ auseinander: Die titelgebende Figur belegt im 17. Jahrhundert das heliozentrische Weltbild und wird aufgrund dessen zum Feind der katholischen Kirche, die im Laufe ihrer Hetzkampagne auch vor Todesdrohungen nicht zurückschreckt. Wie entscheidet man sich in einer solchen Situation zwischen dem eigenen Leib und Leben und der gesellschaftlichen Verantwortung, die man trägt? Regisseur Ronny Jakubaschk vom Badischen Staatstheater Karlsruhe greift auf das dramaturgische Mittel der Mehrfachbesetzung zurück, um das Dilemma Galileis zum Ausdruck zu bringen. Eine außergewöhnliche Inszenierung, der Sie am Mittwoch, den 14.05.2025, um 19:30 Uhr beiwohnen können.
Auch heutzutage hat die Wissenschaft einen mächtigen Gegner, und zwar die Pseudowissenschaft. Diese manifestiert sich auf zwei Arten: zum einen durch die Verbreitung von Pseudowissen, zum anderen durch Wissenschaftsleugnung. Da beide Formen unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft daherkommen, fällt es zugegebenermaßen schwer, die benutzten Strategien als das zu identifizieren, was sie sind: Sprachrohre für Unwahrheiten, oftmals instrumentalisiert von Demokratiefeinden, denen eine aufgeklärte Welt ein Dorn im Auge ist.